Eine ungewöhnliche Kirche
Die großen Säulen und Arkadenbögen aus Marmor, die Spruchtafeln an den Brüstungen mit den kunstvoll mit Goldfarbe geschriebenen Texten, darüber Wände und Decke bedeckt mit farbkräftigen Bildern: Auf den ersten Blick sieht es aus wie ein festlicher Saal. Erst wenn Kanzel und Altar im Chorraum wahrgenommen werden erkennt man, dies ist auch eine Kirche. Das entspricht dem Willen des Bauherrn. Seine Kirche sollte ein Festsaal sein und dieser wiederum sollte als Kirche erkennbar sein.
Alle Formen und aller Schmuck dieses Raumes haben dem hier verkündigten Wort Gottes zu dienen: Mit Säulen und Arkaden ist die Gestalt der Kirche angelehnt an die Basilikaform früher Kirchen und erinnert damit an Tradition und Überlieferung christlichen Glaubens seit Urtagen.
Die Sprüche an den Brüstungen sind die stetige Ermunterung zu rechtem Tun und Lassen, wie es aus Gottes Wort gefolgert wurde.
Und die großformatigen Bilder an Wänden und Decke sind in ihren Inhalten so aufeinander bezogen, daß sie als eine Predigt von Jesus, dem Christus, zu lesen sind, einer Predigt, die zu Glauben und Nachfolge aufruft. Für diese Verbildlichung der Predigt hat der Bauherr, Graf Johannes von Nassau-Idstein, zu einer für die Zeit des ausgehenden 17. Jahrhunderts ganz ungewöhnlichen und einzigartigen Darstellung gegriffen: Er ließ die aus dem Neuen Testament genommenen Szenen des Evangeliums auf Leinwand malen und ließ die Einzelbilder - nur durch schmale Rahmenleisten getrennt - an Wänden und Decke befestigen.
Damit unterscheidet sich die Unionskirche von allen anderen Kirchen dieser Zeit, in denen mit Freskomalerei illusionistische Perspektiven eröffnet werden. Anders in der Unionskirche: Hier fängt sich der Blick im Christus des Evangeliums, denn nur dieser kann eine „Perspektive“ in das ersehnte Himmelreich eröffnen.
Dieses anspruchsvolle Konzept der Gestaltung einer Kirchendecke war ohne Vorbild und ist auch ohne Nachfolge geblieben.
Der Name der Kirche
1917, anlässlich der 100-Jahrfeier der Nassauischen Union wurde dieser Kirche der Name „Unions-Kirche“ verliehen, um an die in Idstein verhandelte und beschlossene Kirchenunion zu erinnern. 1817 haben im damaligen Herzogtum Nassau die beiden aus der Reformation hervorgegangenen Bekenntnisse der Lutheraner und der Reformierten den trennenden Abendmahlsstreit abgelegt und sich zur Evangelischen Kirche zusammengeschlossen.
Davor hieß die Kirche rund 250 Jahre lang schlicht „Stadtkirche“ und vor dem Umbau 1669/76 war sie seit 1340 die Stiftskirche St. Martin.
Geschichtlicher Überblick
Die älteste Kirche in Idstein war eine Pfarrkirche für die Burgsiedlung, die Burg Idstein ist 1102 erstmals in Urkunden zu finden. Erster nachweisbarer Pfarrer war um 1300 Pfarrer Marquardus.
1102 Idstein wird in den Namen der adligen Brüder Udalrich und Konrad de Etichestein erstmals genannt. Ihre vermutlich ältere Burg war die Urzelle der Siedlung. Die Einwohner gingen zum Gottesdienst entweder in eine Kirche im Umland oder aber in die Burgkapelle St. Nikolaus, deren Name und Existenz aber erst 1424 überliefert ist.
1287 3. Mai - Graf Adolf von Nassau-Idstein, 1292 - 1298 dt. König, erhält von König Rudolf v. Habsburg für seine Burgsiedlung Stadtrecht. Spätestens zu diesem Zeitpunkt war eine Pfarrkirche in Idstein vorhanden.
1300 Die selbständige Pfarrei Idstein wird erkennbar in einer Urkunde, in der der Idsteiner Pastor Marquard als Zeuge genannt wird.
1309 Das Siegel des Idsteiner Pfarrers Heinrich Sure zeigt den hl. Martin als Siegelbild.
1330 - 1340 Im Zusammenhang mit den Gründungsvorbereitungen des Stifts entsteht unter Graf Gerlach eine gotische, dreischiffige Hallenkirche mit einem geräumigen Chor.
1340 25. August - Auf Bitten des Grafen Gerlach und nach reichlichen Zuwendungen des Grafen zur wirtschaftlichen Sicherung des Stifts, errichtete Erzbischof Balduin von Trier an Idsteins Kirche ein Kollegiatstift von 6 Chorherren zu Ehren Gottes, der Gottesmutter Maria und des hl. Martin. Erster Dekan des Stifts wurde der Idsteiner Pastor Heinrich Sure.
1509 Das Stift wurde von den Idsteiner Grafen und dem Adel weiter ausgestattet und hatte am Vorabend der Reformation 11 Altäre. Darunter der dem Kirchenpatron St. Martin gewidmete Hauptaltar im Chor und den Altar St. Sebastian, den der Mainzer Erzbischof Adolf II. von Nassau 1471 mit der Sebastiansbruderschaft begründet hatte. Für ihn ließ Graf Philipp I. 1509 die Kapelle am Ostende des südl. Seitenschiffs ausbauen (heute Sakristei).
1542 - 1549 Unter dem Einfluss der neuen reformatorischen Ideen zog der Landesherr Graf Philipp II. immer mehr Funktionen des personell nicht mehr voll besetzten Stiftskapitels an sich. 1542 erließ er Grundsätze für das Kirchenwesen, die den Grund zur Reform legten. 1549 bestellte der Graf für seine Schlosskapelle den Mathias Becker zum Kaplan. Er hat auch in der Stiftskirche reformatorisch geprägten Gottesdienst gehalten.
1553 26. Juni - Erst als sich die politische Lage im Reich zugunsten der protestantischen Partei gewendet hatte, tat Graf Philipp II. den definitiven Schritt zur Durchsetzung der Reformation in Idstein mit der Berufung des Nikolaus Gompe zum Predigeramt in Idstein. Juristisch fand das Stift sein Ende als katholische Einrichtung am 20. Juli 1553, als Graf Philipp II. die rechtliche und wirtschaftliche Selbständigkeit des Stifts an sich zog.
1553 Anton Weber wird als erster lutherischer Stadtpfarrer eingesetzt.
1618 - 1648 Dreißigjähriger Krieg. Der Landesherr Graf Johannes wurde 1634 - 1646 wegen seiner Parteinahme für König Gustav Adolph von Schweden ins Exil getrieben. Idstein stand unter fremder Verwaltung.
1669 - 1677 Graf Johannes betreibt den Umbau der alten Stiftskirche zum heutigen Kirchengebäude. Bauidee zu Gestalt und Ausschmückung vermutlich vom Grafen Johannes selbst. Die Ausführungsplanung wird neuerdings dem Straßburger Münsterbaumeister Hans Georg Heckler zugeschrieben. Örtliche Bauleitung durch gräfliche Beamte. Marmorarbeiten vorwiegend durch Arnold Harnisch, Mainz, und Hans Martin Sattler, Idstein. Schrifttafeln auf den Gestühlsbrüstungen von Jost Bickhart, Mainz. Abendmahlbild im Altarretabel und 33 der Wand- und Deckenbilder von Michel Angelo Immenraedt aus Antwerpen, 5 Bilder Johann von Sandrart.
1677 Tod des Bauherrn Graf Johannes. Sein Sohn Georg August Samuel läßt nur die im Kirchenschiff angefangenen Arbeiten zur Umgestaltung der Kirche zu Ende führen.
1724 - 1726 Ausbau des Chorraumes in einem maßvollen Barock mit stuckierter Wandverkleidung (Joh. Glaß, Bamberg) und Deckenfresko (Max.Pronner, Gießen). Gestaltung nach Idee des Superintendenten Dr. Joh. Christ. Lange, mit Mitteln des Grafen Friedrich Ludwig von Nassau - Saarbrücken, der die Grafschaft Idstein 1721 geerbt hatte.
1912 Eine Orgel der Firma Walcker, Ludwigsburg (Württ.), wurde in den Prospekt von 1783 eingebaut.
1958 - 1961 u. 1965 Nach einem Hochwasser, das Stadt und Kirche beschädigt hatte, wurde die Kirche vollständig renoviert.
1957 - 1965 Mit der Neubeschaffung von drei Glocken wurden die kriegsbedingten Verluste ausgeglichen.
1988 Einweihung des Gemeindehauses Albert-Schweitzer-Str. 4
Literaturempfehlung
Gerne können Sie sich mit Hilfe unserer Literaturempfehlung tiefergehend mit der Geschichte der Unionskirche beschäftigen.
Aber auch eine Kirchenführung legt immer wieder interessante Details frei.